Österreich: Verfassungsgerichtshof kippt wieder Corona Verordnungen

Mrz 20, 2021 | Gesundheitspolitik, Innenpolitik

Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte in seiner eben abgeschlossenen Session 350 Einsprüche gegen Corona Verordnungen zu beurteilen. Bisher hatte der VfGH 22 Verordnungen als verfassungswidrig erkannt, davon 9 von Bundesbehörden.

Bekannt werden die gefällten Urteile erst mit der Ausfertigung und Zustellung. Bisher wurden erst fünf Urteile zu Beschwerden über Corona Maßnahmen veröffentlicht. Davon mündeten 3 in eine Aufhebung der Verordnung, wir halten also bei mittlerweile insgesamt 25 verfassungswidrigen Verordnungen. Und es werden sicher noch erheblich mehr werden. Leider betreffen die Aufhebungen teils lange zurückliegende Verordnungen. Dies zeigt eine erhebliche Schwäche des Rechtsstaates, da die Exekutive praktisch nach Belieben verfassungswidrig agieren kann, ohne dass sie zur Rechenschaft gezogen wird.

Aber nun zu zwei der wichtigeren Urteile:

Betretungsverbot für Sport- und Freizeitbetriebe 2020: Regelung war gesetzwidrig, da nicht ausreichend begründet 

Eine im Frühjahr 2020 geltende COVID-19-Maßnahmen­verordnung (BGBl. II 96/2020) bestimmte, dass das Betreten von Sport- und Freizeitbetrieben untersagt ist.

Der Inhaber eines Fischteiches erhielt auf Grund dieses Verbots von der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld eine Strafe, weil er nicht dafür gesorgt hatte, dass sein Gelände nicht von fremden Personen betreten wird. Der Inhaber beschwerte sich beim Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG). Dieses wiederum stellte beim VfGH den Antrag auf Feststellung, dass dieses Betretungsverbot gesetzwidrig war.

Eine Verordnung darf nur auf Grund eines Gesetzes erlassen werden. Lässt das Gesetz der verordnungserlassenden Behörde einen gewissen Spielraum, muss diese genau darlegen, auf Grund welcher tatsächlichen Umstände sie die Maßnahmen in der Verordnung erlassen hat.

Das LVwG hatte daher das Bedenken, dass das angefochtene Betretungsverbot vom Gesetz nicht gedeckt sei; darüber hinaus sei diese Regelung nicht hinreichend genau, sodass ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip vorliege.

Der VfGH hat diesem Antrag stattgegeben und entschieden, dass die angefochtene Regelung gesetzwidrig war. Die vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vorgelegten Verordnungsakten lassen nämlich nicht erkennen, welche Umstände im Hinblick auf welche möglichen Entwicklungen von COVID-19 dafür ausschlaggebend waren, das Betreten von Freizeit- und Sportbetrieben zu untersagen. Eine entsprechende Dokumentation ist jedoch Voraussetzung dafür, dass der VfGH beurteilen kann, ob die Verordnung der gesetzlichen Grundlage im COVID-19-Maßnahmengesetz entspricht. Der VfGH folgt damit den Leitentscheidungen vom Juli 2020 (vgl. VfGH 14.7.2020, V 411/2020).

Pflicht zur Auskunft an Gesundheitsbehörde bei COVID-19-Verdachtsfällen war gesetzwidrig, da nicht ausreichend begründet

Auf Grund einer Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom September 2020 waren Betriebsstätten wie z.B. Gasthäuser verpflichtet, der Bezirks­verwaltungs­behörde bei Verdachtsfällen von COVID-19 bestimmte personenbezogene Daten (etwa von Kunden) zu übermitteln. Die Verordnung war bis 31.12.2020 in Kraft.

Der Antragsteller, Inhaber eines Restaurants in der Wiener Innenstadt, hielt diese Verordnung aus mehreren Gründen für gesetzwidrig: Eine solche Auskunftspflicht habe keine gesetzliche Grundlage, zudem verstoße sie gegen das Grundrecht auf Datenschutz, das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung und den Gleichheitsgrundsatz.

Der VfGH hat dem Antrag aus folgendem Grund stattgegeben:

Die vorgeschriebene Datenerhebung und ‑übermittlung stellte einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz dar. Bei Maßnahmen, die zu einem solchen Grundrechtseingriff führen, ist es erforderlich, dass die Behörde aktenmäßig nachvollziehbar macht, auf Grund welcher tatsächlichen Umstände sie die betreffende Maßnahme für erforderlich und insgesamt angemessen hält. Da diese Entscheidungs­grundlagen nicht erkennbar waren, verstieß die angefochtene Regelung gegen das Epidemiegesetz 1950; der VfGH hat daher festgestellt, dass diese Regelung gesetzwidrig war.

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